Jugendhilfemaßnahmen in Portugal

Wenn Jugendliche mit „PROGRESSO“ einen Schritt weitergehen.

„Mein Name ist Vanessa*, ich bin 18 Jahre alt und ich habe den Entschluss gefasst, hier meinen Schulabschluss zu machen.“ (Teilnehmerin Progresso) 

Seine ersten Schritte sind dem 15jährigen Luis* (alle Namen von der Redaktion geändert) bei PROGRESSO wirklich schwergefallen. Morgens um 07:30 klingelt der Wecker, Zeit für Stallarbeit, die Pferde warten auf ihre Heuration. Danach muss das Frühstück für alle vorbereitet werden. Die neuen Abläufe scheinen für Kinder und Jugendliche mit multiplen Verhaltensproblematiken hart, nicht zuletzt, weil ihr bisherige Leben mit einem radikalen Bruch endet. Denn die Jugendlichen kommen aus verschiedenen europäischen Ländern nach Portugal, um aus alten Handlungskreisläufen auszusteigen und sich somit von Dingen und Problemen zu distanzieren. 

Kontraste machen den Unterschied sichtbar

„Ohne euch wären meine Tochter und ich, denke ich,  nicht mehr am Leben. Meine Tochter hat sehr viel durch euch gelernt und mitgenommen. … Ich werde euch alle nie vergessen.“ (Ruth*, eine Mutter)

Die Heranwachsenden machen in den Betreuungsstellen oft Kontrasterfahrungen zu den bisherigen Lebensstandards, die sie aus Deutschland gewohnt sind. Das kann helfen, Dankbarkeit und Wertschätzung erneut zu lernen und auszudrücken.

In der Ruhe liegt die Kraft

„Am ersten Tag haben wir gelernt, welche Gefühle wir haben und warum/wann sie entstanden sind.“ (Patricia*)

PROGRESSO kommt aus dem Portugiesischen, bedeutet neben dem sprichwörtlichen „Vorwärtsgehen“ auch einen Schritt zurück zur Einfachheit. Das hat das Ziel, die einfachen Dinge im Leben wieder schätzen lernen, sein eigenes Konsumverhalten zu überdenken.

Dazu trägt auch unser ausgewählter Ort bei. Er liegt abgeschieden, um die Jugendlichen in der reizarmen Umgebung zu entschleunigen. Aber nicht nur das: Den Teilnehmer wird somit die Ruhe „gegeben“, sich auf sich selbst zu besinnen. Die logische Folge – die Heranwachsenden setzen sich mit Konflikten und eigenen Problemen konstruktiv auseinander. 

Abenteuer Lernen mit Natur und Tieren

„Als meine Teamleiterin mir mitteilte, dass ich mit João und Britt wandern gehe, war ich geschockt. Ich wusste nicht, was ich sagen soll, am liebsten hätte ich geheult – ich habe nicht verstanden warum, vielleicht als Strafe oder so, doch nach dem Hike ist mir einiges klar geworden. Es war ganz und gar keine Strafe!“ (Kim*)

Das praktische Arbeiten in der Natur bietet den Jugendlichen die Möglichkeit<s>,</s> sich vielseitig den Farmen auszuprobieren und anders wahrzunehmen. Damit übernehmen Jugendliche wie Luis Mitverantwortung am Planen und Durchführen von kleineren Projekten am und im Haus. Sie lernen etwas zu Ende zu bringen, setzen sich mit ihren persönlichen Grenzen und Wertvorstellungen auseinander und das Lernen passiert bei „learning by doing“. 

Durch die Tiere auf den Farmen (Pferde, Hunde, Katzen und Hühner) können die Jugendlichen lernen, Verantwortung für ein anderes Lebewesen zu übernehmen.

Die Folgen sind zahlreich: das Verantwortungsgefühl wird stärker, die Frustrationstoleranz erhöht sich, das Körperbewusstsein wächst, und nicht zuletzt können die Teilnehmer ihre eigenen Stärken und Schwächen kennenlernen. Damit lernen die Jugendlichen den Aufbau von Respekt und Vertrauen. 

Alternative für wen?

„Das Projekt bestand nicht nur aus guten und schönen Augenblicken. Es gab Momente, in denen ich am liebsten aufgegeben hätte, aber letzten Endes sind dies die Momente, in denen ich am meisten gelernt habe.(Bieneke*)

 Die Angebote sind besonders geeignet für junge Heranwachsende im Alter von 12 bis 18 Jahren, die aufgrund ihrer bisherigen belastenden Biografie massive Verhaltensauffälligkeiten, psychosoziale Störungen oder Entwicklungsverzögerungen aufweisen, insbesondere Jugendliche mit:

  • Störungen in der Beziehungs- und Bindungsfähigkeit sowie in anderen emotionalen und sozialen Bereichen
  • Entweichungsproblematiken
  • Persönlichkeitsentwicklungsstörungen
  • Verhaltens- und emotionale Störungen
  • Atypischer Autismus und Asperger-Syndrom
  • Missbrauchs- und Gewalterfahrungen
  • mit Schulaversion sowie Lern-, Leistungs- und Aufmerksamkeitsstörungen
  • Grenzüberschreitenden Verhalten
  • beginnender Delinquenz
  • Medien- und angehende Drogensucht
  • Transgender Problematik
  • Seelischen Störungen als Folge von Krankheiten
  • Diagnose einer seelischen oder drohenden seelischen Behinderung
  • Individuellen Einschränkungen, die zu sozialen Beeinträchtigungen geführt haben.

Was gibt es für Angebote?

„Ich lebe auf dem Projekt „Quinta do Cerro“ und bin beim Triathlon geschwommen. Für mich war dieser Tag ein einmaliges Erlebnis. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich ein kleines bisschen Angst, dass ich versage, denn dann müsste mein Team auf mich warten und alles aufholen, damit wir nicht als letztes ins Ziel kommen.“ (Lusia*)

PROGRESSO orientiert sich stets am individuellem Hilfebedarf des Jugendlichen. Um diesen individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden, stellt PROGRESSO in Zusammenarbeit mit TROTZDEM e.V. eine Vielzahl an Hilfeformen / Angeboten zur Verfügung:

  • zwei intensivpädagogisch – therapeutische Jugendwohngemeinschaften im Alentejo
  • Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuungsmaßnahmen
  • Ein 3-monatiges Time-Out / Reiseprojekt (TOUR)
  • Intensivpädagogische Jugendwohngemeinschaft mit Fokus auf die Entwicklung der Verselbstständigung

Unser großes Plus:

Zusätzlich erhält jeder Jugendliche bei PROGRESSO je nach seinen/ihren Bedürfnissen, Kompetenzen und Ressourcen eine individuelle psychologische und / oder therapeutische Begleitung und Förderung mit individuellen Schulprogrammen. Hier werden verschiedenste therapeutische Ausrichtungen, wie z.B. Gesprächstherapie, Traumatherapie, Sexualtherapie, Reittherapie, usw. angeboten. Praktisch für den Alltag: Im multikulturellen Team wird Englisch gesprochen und somit gelernt. 

Wer steckt hinter PROGRESSO?

 PROGRESSO ist ein nicht wirtschaftlicher portugiesischer Verein, welcher im Juli 2006 von einem multiprofessionellen und multikulturellen Team mit dem Ziel gegründet wurde, individuell zugeschnittene Unterstützungsangebote für herausfordernde Jugendliche in Portugal anzubieten.

Der Verein ist aufgrund seines speziell entwickelten 4-Phasenprogrammes und seiner multiprofessionellen sowie multikulturellen professionellen MitarbeiterInnen ein einzigartiges Projekt. Seit August 2008 kooperiert der TROTZDEM e.V. mit dem portugiesischem Träger PROGRESSO.


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