Nach dem letzten Interview, das von einem Auftragnehmer handelte, der schon lange Zeit bei TROTZDEM e.V. tätig ist, folgt nun ein Interview mit einer Auftragnehmerin, die vergleichsweise erst kurze Zeit unseren Träger bereichert. Das Interview wurde Ende April digital geführt und hat auch unter Lockdown-Bedingungen viel Spaß gemacht.
Sarah, seit wann bist du für TROTZDEM e.V. tätig?
Ja, hätte ich mich doch mal besser vorbereitet. Es müsste Juli/ August 2020 gewesen sein und es war sehr warm an dem Tag des Kennenlerngespräches in Essen-Steele.
Was hilft dir, wenn du in neue Arbeitsbereiche der Jugendhilfe „eintauchst“?
Ich finde es unheimlich bereichernd, wenn ich in Co-Arbeit arbeiten kann, um mich dann nochmal abzusprechen, wie wir zusammen weiterarbeiten können. Einfach um zu schauen, wer was gemeinsam gesehen hat, welche Unterschiede auch gesehen wurden. Das hilft mit total!
Vorher hilft auch sehr die Auftragsklärung, die gemeinsam im HPG aufgestellt wird oder dann im Einsatzgespäch.
Das erlebe ich auch nur bei euch so detailliert im Vergleich zu anderen Trägern. Also besonders die Frage, „wie starten wir im Fall“ und „welche Aufträge werden erarbeitet“. Da helfen dann besonders die speziellen systemischen Fragen sehr gut, um dann wirklich an den Punkt zu kommen, was denn wirklich der Auftrag ist. Und dadurch, dass ich auch vorher schon bei einem anderen Träger im Einsatz war, wurde mir das bewusst, dass ich das oftmals aus dem Blick verloren habe und das Drumherum gemeistert habe und eben nicht das bearbeitet habe, was sie eigentlich wollten, weil es gar nicht zu einem direkten Auftrag mit der Familie kam und deswegen sehe ich das inzwischen als A und O an für eine gute Arbeit in den Settings. Das finde ich bei TROTZDEM e.V. so speziell.
Was ist dein Rat an alle jene, die neu in der Jugendhilfe einsteigen?
„Hast du dir das wirklich gut überlegt?“. Nein, also einen guten Rat: Man sollte flexibel sein. „Bist du flexibel genug?“, das würde ich wahrscheinlich fragen. Man muss sich immer wieder auf neue Situationen einrichten. Wie oft ist es schon vorgekommen, dass man auf dem Weg zur Familie war und eine SMS bekommen hat mit einer Absage aus verschiedensten Gründen. Das sollte jeder einfach locker nehmen und sagen: „Ok, dann drehe ich halt um.“. Wichtig ist, sich nicht über Dinge zu ärgern, sondern das vielmehr so hinzunehmen und das flexibel zu nehmen und zu sagen: „Ja, gut dann fahr ich halt morgen hin oder wir machen einen neuen Termin.“. Genauso, wie in unserem Setting, wo plötzlich vier andere Leute in den Raum reinkommen. Bei allem ist wichtig, einfach flexibel mit den Gegebenheiten umzugehen und locker dranzugehen. Ich möchte das ganze so nehmen, wie es ist – die Familien so nehmen, wie sie sind.
Welchen Rat oder Tipp würdest du in Bezug auf die Systemische Haltung an alle jene, die neu in der Jugendhilfe sind, mitgeben?
Was ich sagen würde, was wirklich wichtig ist, ist die Neutralität zu halten. Jeder ist so, wie er ist. Bei der systemischen Sicht ist es ja wichtig, dass wir jeden im Blick haben und jeden annehmen, wie er ist und nicht sagen, der und der hat den Stempel und der und der hat den Stempel, sondern einfach alles so neutral, wie möglich anzunehmen. Wie schwer das Tag für Tag umzusetzen ist, erfahre ich immer wieder, weil ich oftmals in die Rolle der „Erzieherin“ zurückgehe. Als Erzieherin sind wir ja oftmals, die mit dem erhobenen Finger und sagen: „Machen Sie mal so, und machen Sie mal so.“. Während ich den Gedanken habe, rufe ich mich schon wieder zurück und denke mir: „Nee, du bist jetzt nicht die Erzieherin, Du bist jetzt die Systemikerin.“ Da bin ich noch ziemlich im Lernprozess.
Wenn du mit einem Fingerschnipp in der Jugendhilfe etwas verbessern würdest, was wäre das?
Das wäre mal gut gewesen, sich auf diese Frage vorzubereiten. Ich würde mir wünschen, dass wir in Zukunft mehr Kunden, also mehr Menschen und Familien beraten, die von sich aus die Hilfe in Anspruch nehmen und ein Interesse an Veränderung in sich tragen. Wobei auch schön ist, mit anzusehen, wie schnell aus Klagenden auch Kunden werden und sie eigene Erfolge sehen und wertschätzen können. Doch das braucht dann häufig erstmal viel Vertrauensarbeit.
Ergänze bitte den Satz: Ich arbeite gern für Trotzdem, weil…
… ich die Arbeit sehr schätze, die systemische Haltung sehr schätze. Es sind einfach alle total nett!
… weil ich sehr wertschätzend behandelt werde und hier jeder irgendwie wichtig ist.
Liebe Sarah, vielen Dank für den interessanten, humorvollen und schönen Austausch! Mit deiner warmen, herzlichen Art wie auch mit deiner hohen Kompetenz bist du eine große Bereicherung für unser Team und auch für die vielen uns anvertrauten Familien.