Tausende minderjährige Kinder und Jugendliche kommen jedes Jahr ohne die Begleitung Erwachsener nach Deutschland. Viele von ihnen können hier von Verwandten aufgenommen werden. Die Belastung, mit einem traumatisierten Kind mit Fluchterfahrung im eigenen Heim umzugehen, ist enorm. Die Herausforderung an das Kind oder den Jugendlichen, sich zu integrieren, sich in der neuen Heimat zurechtzufinden und die eigenen Fluchterfahrungen zu verarbeiten, ist ebenso groß. Hier greift die ambulante Begleitung im Rahmen einer Hilfe zur Erziehung nach §27 SGB VIII von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die im Rahmen der Verwandtenpflege untergebracht sind.
Verwandtenpflege in Essen: Unser systemischer Ansatz
Wir sind überzeugt, dass Integration mit Unterstützung aus dem Herkunftsland besonders gut gelingen kann. Deshalb setzen wir auf eine Begleitung im Tandem durch eine sozialpädagogische Fachkraft gemeinsam mit einer/m KulturmittlerIn, der/die das sprachliche und kulturspezifische Wissen aus dem Ursprungsland mit einbringen. Dabei werden die Kinder und Jugendlichen nicht nur in ihrer eigenen Integration unterstützt – sie lernen auch am lebenden Beispiel der Tandembesetzung, wie gelungene Integration mit Vorbildfunktion aussehen kann.
Eine ganzheitliche wertschätzende Haltung ist unsere Prämisse
Integration kann gelingen, wenn die den Kindern und Jugendlichen bisher vertraute Kultur und Sprache nicht durch die eines neuen Landes ersetzt werden soll, sondern als Bestandteil ihrer Persönlichkeit und Geschichte wertschätzend behandelt wird. Wir nehmen auch ihre überstandenen und neuen Herausforderungen ernst. Welche Erlebnisse als traumatisch oder belastend empfunden werden, liegt nicht in unserem Ermessen, sondern in dem des Betroffenen.
Systemische Ansätze zur Integration
Wir setzen in unserer Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen verschiedene systemisch orientierte Interventionen ein. Zusätzlich stützt sich dieses Konzept auf das Figur-Hintergrund-Prinzip (Fritz Perls), das eine Möglichkeit darstellt, ein ganzheitliches, systemisches, kulturspezifisches, wertschätzendes, ressourcenorientiertes persönliches und komplexes Menschenbild wahrzunehmen. Die Kinder und Jugendlichen lernen zu verstehen: “Ich und alles was vor mir war und auf meine Familie Einfluss hatte, was seit meiner Zeugung mit mir war, jetzt im Moment mit mir und um mich herum ist, und was mal kommen wird bin ICH.”
Ein sehr komplexes Projekt
Wir sind uns bewusst, dass die Probleme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in der Verwandtenpflege nicht mit ein paar Kniffen zu lösen sind. Unser Leitbild berücksichtigt die Komplexität des Projektes. Die zentralen Punkte:
Integration wie auch mögliche spätere Rückkehr ins Herkunftsland
beziehungs-, bedarfs- und ressourcenorientierte Hilfe, die individuell passgenau angeboten wird (z.B. mit zusätzlichen Gruppentreffen, Infoveranstaltungen, usw.)
Hilfe, die auf Unterstützung und Stabilisierung angelegt ist
persönliche und systemische Kompetenzerweiterung der Kinder und Jugendlichen
Im Tandem für gelungene Integration
Durch die Zusammenarbeit einer/s systemisch erfahrenen SozialpädagogIn und einer/s KulturmittlerIn kann am Modell der Dialog der Kulturen erlebt werden. Für die Kinder und Jugendlichen wird der Fokus auf Gemeinsamkeiten gelegt. Sie erfahren, dass sich selbst zu finden und zu erweitern eine sichere Basis bildet. Sie können in der neuen Heimat ankommen, ohne die alte Heimat zu vergessen – gelungene Integration.
In den Worten von Koordinatorin Cornelia Möllers, die in Essen das neue Konzept für Trotzdem initiiert:
“Wir streben soviel Integration wie nötig an, um sich in der deutschen Gesellschaft zurecht zu finden (unter Berücksichtigung der eigenen Wurzeln/dem Wiederfinden der eigenen Wurzeln um Rückkehrmöglichkeiten einzuschließen), unter Beibehaltung so vieler Ressourcen aus dem Ursprungsland wie möglich. Das Wichtigste ist, weiteren Stress und weitere Traumata zu vermeiden um sich in beide Gesellschaften zu integrieren!”
Sie interessieren sich für eine Mitarbeit im Projekt "Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Verwandtenpflege (UmFV)"? Wir suchen ab sofort systemisch erfahrene Pädagogische Fachkräfte als freie AuftragnehmerInnen. Für die Position der KulturmittlerInnen suchen wir außerdem KulturmittlerInnen ohne fachspezifisch berufliche Ausbildung aus dem Herkunftsland der Familie: Mit Kenntnis des kulturellen Herkunftskontextes der Familie sowie Sprachkompetenz in z.B. Arabisch, Dari, Kurdisch, Türkisch, Französisch, Englisch (Hausfrauen / -männer, volljährige SchülerInnen / Auszubildende / Studierende, RentnerInnen, arbeitslose Frauen / Männer …).