Das Leben lernen: Unser Projekt Maidornstraße in Versmold

In Versmold wohnen, arbeiten und lernen sechs männliche Jugendliche zusammen. Das Projekt Maidornstraße richtet sich an Jugendliche, die durch für sie in der Schule und Jugendhilfe verfügbare Möglichkeiten nicht erreicht werden können. Hier wird ein anderer Weg in die gesellschaftliche Reintegration versucht: Mit handwerklicher Arbeit und tiergestützter Pädagogik zu lernen, ein eigenverantwortliches Leben zu führen.

Wer zu uns kommt

Die 14- bis 18-jährigen haben viel hinter sich. Sie sind vielleicht bereits straffällig geworden oder ihre Prognosen einer positiven Entwicklung stehen schlecht. Klassische Fördermaßnahmen kommen für sie aktuell nicht in Frage. Klar ist: Sie können, wollen oder sollen nicht mehr in ihrem bisherigen Umfeld leben. Das Projekt in Versmold bietet ein alternatives Zuhause auf Zeit, für das sich die Jugendlichen und ihre Eltern nach ein paar Probetagen gemeinsam und freiwillig entscheiden. Zwei Plätze werden derzeit für minderjährige Flüchtlinge aus Afghanistan vorgehalten, die zusätzlich zu unserem Angebot in der Schule auch Deutsch lernen.

Werte neu lernen

Verbindlichkeit, Verantwortung und Verlässlichkeit im Alltag sind Werte, die die Jugendlichen nicht selten zum ersten Mal lernen. Es mangelt im Herkunftsumfeld oft an alternativen (männlichen) Identifikationsfiguren. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verfolgen deshalb einen beziehungs- und bedarfsorientierten Ansatz. Die persönliche Beziehung, der verlässliche Umgang miteinander stehen im Vordergrund: Nähe und Distanz müssen immer wieder austariert werden. Um den Jugendlichen Stabilität und Sicherheit zu vermitteln, spielt persönliche Integrität eine große Rolle. Auch wenn es mal schwierig wird, bleiben die Mitarbeiter an der Seite der Jugendlichen – für Viele eine ganz neue Erfahrung, hatten sie doch bisher immer das Gefühl “falsch” zu sein, wenn es Probleme gab. So versteht sich die Maidornstraße nicht als Maßnahme zur Krisenintervention; vielmehr ist das Programm auf eine dauerhafte Entwicklung der Teilnehmer angelegt.

Verantwortung übernehmen

Ein Großteil der MitarbeiterInnen der Maidornstraße haben neben ihren pädagogischen Qualifikationen auch eine Ausbildung und langjährige Erfahrung im handwerklichen Bereich. Derzeit können die Jugendlichen deshalb im Projekt in den Bereichen Maler, Elektriker und Zimmermann mit anpacken. Das Besondere: Sie haben die Möglichkeit, ihre eigene Umgebung selbst zu gestalten. Sie üben jeden Tag, Verantwortung für ihren Lebensraum zu übernehmen – denn selbst putzen, aufräumen und sich versorgen gehört zum Zusammenleben der Zweier-WGs, in denen sie wohnen. Sie lernen dabei, Entscheidungen eigenverantwortlich und bewusst zu treffen, und dann auch mit den jeweiligen Konsequenzen umzugehen.

Im kommenden Jahr wird das Angebot an tagesstrukturierenden Maßnahmen zusätzlich ausgebaut. Dann stehen Bewerbungstrainings, Coachings oder Fernlehrgänge auf dem Programm, aber auch Musik und kreatives Gestalten. Damit soll den Jugendlichen ermöglicht werden, eine Perspektive für ihr Leben zu entwickeln und zugleich Vertrauen zu Erwachsenen zu fassen, sich auf Beziehungsangebote einzulassen.

Arbeiten in der Maidornstraße

Unsere MitarbeiterInnen in Versmold arbeiten nach dem systemischen, ganzheitlichen Ansatz. Im Alltag mit den Jugendlichen sind sie oft “ganz nah dran” – deshalb bekommen sie viel Raum und Gelegenheit zur gemeinsamen Reflexion ihrer Arbeit. In der kollegialen Beratung stärken sie ihre eigene Reflexionskompetenz und erweitern ihre Fähigkeit zur Selbstexploration. Hier geht es darum, Eigenverantwortung zu sehen und Selbsthilfepotenziale zu stärken. Zusätzlich wird das Team durch Koordinatoren und Pädagogische Leitung begleitet. In diesen Fachberatungen geht es um den gemeinsamen Arbeitsalltag, die Jugendlichen, aber auch die Arbeit des Teams. Eine unabhängige Außensicht wird zusätzlich bei einer monatlichen externen Supervision eingeholt – mit dem nötigen Abstand können die MitarbeiterInnen noch mal neue Perspektiven auf ihre Arbeit entwickeln.

Erst dadurch kann unser Team Tag für Tag ein authentisches Beziehungsangebot machen, das den Jugendlichen ermöglicht, sich zu öffnen und Veränderungen zuzulassen.

In guter Nachbarschaft

In Versmold ist die Maidornstraße etabliert und bekannt. Nicht immer geht das Zusammenleben ohne Reibungspunkte ab – aus diesem Grund lädt das Projekt einmal im Jahr zum Hoffest, so auch im vergangenen September. Die Nachbarn aus den umliegenden Höfen waren dazu ebenso eingeladen wie Mitarbeiter der Stadt Versmold, Polizei und Jugendämter. Natürlich waren auch die aktuellen und einige ehemalige Bewohner des Projekts vor Ort. Das Hoffest ist ein Raum für Begegnung, eine Gelegenheit, sich kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen und miteinander zu feiern – und um gegenseitig mehr Verständnis zu erreichen.

Etwas zurückgeben

Mit dem Hoffest bedankt sich das Projekt für gute Nachbarschaft. Doch das ist nicht die einzige Möglichkeit, etwas zurückzugeben. Im Sommer waren die MitarbeiterInnen mit den Jugendlichen auf Sylt. Ziel des Ferienprogramms war nicht etwa, am Strand in der Sonne zu liegen – gemeinsam beteiligte man sich an einem Naturschutzprogramm zum Dünenaufbau. Etwas für das Gemeinwohl zu tun, verantwortlich zu handeln: Ein wichtiger Lerneffekt für die Jugendlichen auf dem Rückweg in die Gesellschaft.

So geht es weiter …

Im Januar eröffnet Trotzdem e.V. in unmittelbarer Nähe zur Maidornstraße ein weiteres Projekt, das Kleinstheim Fair-DE-Hof, das sich auf einen systemisch-heilpädagogischen Ansatz und tiergestütztes Arbeiten spezialisiert. Über das Konzept berichten wir im kommenden Jahr natürlich ausführlich hier im Blog. Sie interessieren sich für unsere Arbeit in Versmold? Wir freuen uns über Ihre Bewerbung! Bei Fragen steht Ihnen die Pädagogische Leitung Tanja Heidtmann oder der zuständige Koordinator Werner Jansen telefonisch unter 0211-15974712 zur Verfügung.


Newsletter

Verpassen Sie keine Infos, abonnieren Sie jetzt unseren Newsletter!